Porträt von Anna-Lena Markus, stehend auf einer Dachterrasse.

Kulturkopf | Anna-Lena Markus

Anna-Lena Markus leitet seit 2023 gemeinsam mit Gesa Husemann das Literarische Zentrum Göttingen. Wir stellen sie und das Zentrum in unserer Reihe der niedersächsischen Kulturköpfe näher vor.

Zur Website des Literarischen Zentrums Göttingen
21.06.2024
In der Göttinger Nikolaistraße 22 findet sich ein niedersächsisches Literaturjuwel: das Literaturhaus Göttingen. Unter einem Dach arbeiten hier das Literarische Zentrum Göttingen und das Team des Göttinger Literaturherbstes. Gemeinsam bespielen sie den moderne Veranstaltungssaal im Erdgeschoss. Das ganze Jahr über veranstaltet das Literarische Zentrum Lesungen, Podiumsdiskussionen und Workshops für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Während des Festivals im Herbst bildet das Literaturhaus Treffpunkt für Autor*innen und Gäste. Gemeinsam begeistern sie das literatur- und kulturinteressierte Publikum in Göttingen und der Region.

Das Literarische Zentrum ist mit seinem umfangreichen Programm ein wichtiger Ort für Kultur und den  gesellschaftlichen Diskurs. Allein im ersten Halbjahr 2024 waren es bereits 54 Veranstaltungen. Darunter Lesungen mit Teresa Bücker, Jan Wagner und Dana von Suffrin sowie das an/grenzen-Festival gemeinsam mit der Stiftung Niedersachsen. Gestaltet wird dieses Progamm von einem Team rund um die Doppelspitze, Gesa Husemann und Anna-Lena Markus. Sie kuratieren und moderieren das gesamte Programm des Hauses.

Anna-Lena Markus ist seit 2023 an Bord und verantwortet das Lese- und Literaturprogramm für Erwachsene.  Die lesebegeisterte Niedersächsin, geboren 1986, studierte Literaturwissenschaft in Göttingen und Lund in Schweden. Das Göttinger Literarische Zentrum kennt sie bereits aus der Studienzeit. Nach dem Studium zog es sie erst einmal nach Lübeck. Im dortigen Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat, kuratierte Ausstellungen und konzipierte Formate für das Lübecker Buddenbrookhaus. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Literatur führte sie nach dem Volontariat zurück nach Göttingen. Vor ihrem Wechsel ins Literarische Zentrum forschte und lehrte sie an der Universität Göttingen und war in unterschiedliche wissenschaftliche Editionsprojekte involviert, zuletzt an der Universität Münster. Dass die Literatur in Göttingen ohne Wissenschaft nicht recht denkbar ist, liegt auf der Hand. So begleitet die Stiftung Niedersachsen beispielsweise das Literarische Zentrum und seinen Kooperationspartner das Seminar für Philologie der Georg-August-Universität Göttingen bereits lange bei der Ausrichtung der Lichtenberg-Poetikvorlesungen. Was Anna-Lena Markus zurück ans Literarische Zentrum zog, erzählt sie im anschließenden Interview.

Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Anna-Lena Markus, Gesa Husemann und dem Team des Literarischen Zentrums.

Impressionen des Literarischen Zentrums und von Veranstaltungen

Fünf Fragen an Anna-Lena Markus

Was begeistert Sie an Ihrer Stelle im Literarischen Zentrum?

Die Gestaltungsfreiheit, die ich hier habe, und der Austausch mit Menschen begeistern mich am meisten. Ich kann Abende planen, die ich und die wir als Team wichtig finden: Zu Büchern, die uns interessieren, zu Fragen, über die wir mehr lernen wollen, zu Themen, von denen wir denken, dass es die Diskussion über sie braucht. Dabei hat Humorvolles, Schweres, Unterhaltsames, Schmerzendes, Erleichterndes seinen Platz. Ich kann Verbindungen herstellen zwischen Texten, Kunstformen und Menschen. Oft passiert das auch ganz von selbst und ich beobachte das erstaunt und begeistert vom Seitenrand – so etwas mag ich sehr.

Was begeistert Sie am Göttinger Literaturpublikum?

Am Göttinger Publikum schätze ich vieles, am meisten aber, dass es eben nicht nur ‚ein Publikum‘ ist. Je nach Veranstaltung kommen ganz unterschiedliche Menschen und bringen ganz unterschiedliche Stimmungen mit in den Saal. Die Besucher*innen haben Lust, sich mit Texten auseinanderzusetzen und mit anderen Menschen auszutauschen, sich einzubringen. Sie sind offen gegenüber neuen Formaten und Experimenten und lassen sich immer wieder ein auf das Gebotene, geben uns auch Rückmeldung darüber. Und sie zeigen Haltung, wollen Debatten und fordern vom Literarischen Zentrum die Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Problemen der Gegenwart.

Welche Herausforderungen begleiten Ihren Arbeitsalltag momentan?

Wir möchten Veranstaltungen anbieten, die technisch und medial ansprechend und gut begleitet sind; wir müssen unser Haus noch stärker nachhaltig aufstellen; wir wollen ein barrierearmes Angebot anbieten; wir wollen Formate entwickeln, die neue Zielgruppen erreichen; wir müssen uns stärker digitalisieren; wir wollen uns neue Kompetenzen draufschaffen; wir möchten und müssen die Menschen, die für und mit uns arbeiten, fair entlohnen! Das schaffen wir derzeit oft nur, weil wir unfassbares Engagement finden, weil Menschen und Institutionen uns in ihrem Idealismus zugewandt sind, weil wir ein ambitioniertes Team haben. Es herrscht ein hoher wirtschaftlicher Druck, der Entwicklungen ausbremst.

Was unterscheidet die Arbeit im Literaturhaus von der Arbeit an der Universität?

Neben vielem anderen das Tempo: Während universitäre Forschungsprojekte oft auf mehrere Jahre angelegt sind, in denen man sich mit einem Thema, einer Frage auseinandersetzt und in denen die persönliche Begeisterung unterschiedliche Phasen durchläuft, geht es hier im Literaturhaus Schlag auf Schlag. Ich hätte oft gern mehr Zeit, um mich nach einer Veranstaltung nochmal intensiver mit dem Gehörten auseinanderzusetzen. Aber grundsätzlich liegt mir dieser schnellere Takt: Ich mag es, dass zwischen Idee und Ergebnis weniger Zeit vergeht. Zum anderen liegt dieses Ergebnis ja immer nur zu einem ganz kleinen Teil bei mir, die beteiligten Personen bringen so vieles mit an Ideen, Impulsen, Erfahrungen. Da entwickeln sich auf der Bühne Dinge, auf die ich zwar keinen Einfluss, an denen ich aber großen Spaß habe.

Was ist aus Ihrer Sicht der schönste Ort zum Lesen in Göttingen?

Im Sommer lese ich gern im Grünen, auf den Schillerwiesen oder im Freibad, im Winter auf jeden Fall gemütlich in meiner Wohnung, und in allen Jahreszeiten lese ich fantastisch gern im Zug! Entscheidender als der Ort ist für mich aber tatsächlich die Tageszeit: Ich lese am liebsten ganz früh morgens und ganz allein, wenn noch niemand um mich herum ist, nichts klingelt, nichts piepst und summt – da fällt mir der Einstieg in den Text am leichtesten und wirkt oft noch durch den ganzen Tag nach.